Die Neugründung

Die politischen Umbrüche in der DDR im Jahre 1989 sorgten im folgenden Schuljahr 1990/91 für weitflächige Vorbereitungen schulorganisatorischer Veränderungen in allen ostdeutschen Ländern. In Berlin sollte nun das Schulsystem vereinheitlicht werden. Das hieß, dass auch in den östlichen Bezirken Grundschulen, Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien eingerichtet werden sollten. Alle Lehrer, die bis dahin in der Volksbildung tätig waren, hatten die Möglichkeit, sich für eine Schulform und zum Teil auch für eine bestimmte Schule zu entscheiden. Nach diesen Interessenbekundungen und politischen Überprüfungen wurden neue Lehrerkollegien für die neu zu gründenden Schulen zusammengestellt. In diesem Zusammenhang hatten auch die Eltern die Möglichkeit und Pflicht ihre Kinder für eine Schulform zu interessieren und an einer neuen Schule für das kommende Schuljahr 1991/92 anzumelden. Der Anfang war für alle – Schüler, Eltern, Lehrer und kommissarische Schulleiter und ihre Mitarbeiter – nicht leicht: musste man sich doch in das neue System mit seinen Rahmenplänen, Lehrbüchern, Vorschriften und neuen Freiheiten erst gemeinsam hineinarbeiten. Das Interesse an einer gymnasialen Ausbildung war groß. Daher wurden 5 Gymnasien im Bezirk Köpenick eingerichtet. Doch auch dieser Platz in den Gebäuden reichte nicht aus, so dass z.B. das 2. OG in der Bruno – Wille – Straße mit einer Filiale im Gebäude der Grundschule in Rahnsdorf arbeiten musste.

Anke Jahn

Zur Geschichte des 5. OG „Bölsche – Gymnasium“

Am 1. September 1991 zog in das Gebäude der ehemaligen „König – Friedrich – Schule“ in der Aßmannstraße 11 ein naturwissenschaftlich orientiertes Gymnasium mit 335 Schülerinnen und Schülern und 29 Lehrerinnen und Lehrern ein. In den folgenden Jahren, in denen das Gebäude rekonstruiert wurde, lernten und lehrten an der Bölsche – Oberschule ca. 460 Schülerinnen und Schüler und 37 Lehrerinnen und Lehrer. Durch die überschaubare Zahl an Lehrern und Schülern bildete sich in kurzer Zeit eine aufgeschlossene Atmosphäre heraus, die kritisch offen, konstruktiv und von sozialem Engagement geprägt war, das oft über das normale Lehrer – Schülerverhältnis hinausging. Der aus Köln stammende Wilhelm Bölsche, Naturwissenschaftler, Philosoph und Künstler, dessen Namen die Schule 1994 erhielt, fühlte sich von der Metropole Berlin angezogen und abgestoßen zugleich. Neben zahllosen Schriften und Diskussionsabenden zu wissenschaftlichen Themen wanderte Bölsche durch Märkischen Wald und besuchte auch Friedrichshagen. Hier „im Kiefernduft der endlosen einsamen Wälder“, könne er „die schwarze Brühe der Großstadt geistig und körperlich herauswaschen“ meinte Bölsche und versuchte, angeregt durch technische Meisterleistungen jener Jahrzehnte, Natur und Kunst in seinen Werken zu verbinden. Diese humanistische und fortschrittliche Haltung Bölsches, nicht den Gegensatz, sondern die Einheit beider zu formulieren, bildete den idealen Ausgangspunkt für die Namensgebung des 5. Gymnasiums und wurde in den folgenden Jahren Inhalt und Programm des Bölsche – Gymnasiums für das Lehren und Lernen. Als konstruktiv und richtungsweisend erwies sich auch die Zusammenarbeit mit dem Westberliner Waldgymnasiums, das uns mit Erfahrungen und Büchern zur Seite stand und uns das erste Abitur bewältigen half. Das Gemeinsame äußerte sich auch in zahlreichen Klassenfahrten, Exkursionen und Wandertagen sowie erlebnisreichen Kollegiumsfahrten u. a. nach Goslar, in die Lüneburger Heide und in das Elbsandsteingebirge.

Neben den naturwissenschaftlichen Grund- und Leistungskursen entstanden auch Leistungskurse in Deutsch und Bildender Kunst. Die Fremdsprachen Englisch, Französische, Russisch und Spanisch wurden gelehrt; das Fach Darstellendes Spiel und ein Schulchor bereicherten durch ein musisches Klima das naturwissenschaftliche Profil der Schule. So erfolgte durch den Kurs Darstellendes Spiel in jedem Jahr eine Schulaufführung und die erfolgreiche Teilnahme am Theaterwettstreit in Köpenick. Zu einer schönen Tradition und zur besinnliche Einstimmung auf die Weihnachtszeit entwickelte sich das Weihnachtskonzert, das vielfältige Talente zum Ausdruck brachte. Vielseitigkeit und Spaß zeigten sich auch bei der jährlichen Organisation und „künstlerischen Leitung“ des 11.11., der fest in der Hand der 11. Klassen lag. So kam es zur Durchführung von Fahnenappellen, Quiz für Lehrer und Kostümierungen im futuristischen Stil. Zunehmend gelang es den Schülern, aktiv an der Vorbereitung der Projekttage mitzuwirken und auch gemeinsam Themen zu finden: Mittelalter, Länder und Sitten, Schauturnen oder Modenschauen aus Recyclingmaterial. Die Präsentationen der einzelnen Gruppen bereiteten viel Freude und fanden ihren Abschluss in Grillparties und Diskos. Eine regelmäßig erscheinende Schülerzeitung informierte uns alle über Wissenswertes in der Schule. Neben den kulturellen Höhepunkten gab es auch zahlreiche Sportveranstaltungen, Turniere auf Schul- und Bezirksebene und zum Abschluss eines jeden Schuljahres ein Sportfest, wo sich jeder Schüler entsprechend seiner Fähigkeiten beteiligen konnte.

Fest verankert in das Schulleben waren auch die Abistreiche der glücklichen Abiturienten, die schon mal die Schuleingänge versperrten, die Lehrer antikes Theaterspiel aufführen ließen oder schließlich die Bölsche – Oberschule 1999 beerdigten, in dem Jahr, in dem die Schule aus finanz- und schulpolitischen Gründen geschlossen wurde.

Dr. Sylvia Bothe

Zur Geschichte des 2. OG „Gerhart – Hauptmann- Oberschule“ (Gymnasium)

Zwei der im 2. OG eingerichteten sechs 7. Klassen, zwei 8. Klassen, zwei 9. und zwei 10. Klassen wurden für 2 Jahre in Rahnsdorf unterrichtet. In den folgenden Jahren waren die Anmeldezahlen für die neu aufzunehmenden 7. Klassen zunächst rückläufig, wobei dies leider mit einer Erhöhung der Klassenfrequenz einherging. Seit dem Schuljahr 1998/99 wurde zwischen dem 2. OG und dem 5. OG eine sehr enge Zusammenarbeit vor allem in der Kursphase angestrebt und durchgesetzt, um für die Schüler beider Schulen ein möglichst breites Kursangebot bereitzustellen. So konnte beispielsweise der Leistungskurs Musik erhalten bleiben. Ab dem folgenden Schuljahr wurde und wird nun noch enger zusammengearbeitet, da das 5. OG (Bölsche- Gymnasium) aufgelöst und dem 2. OG (Gerhart – Hauptmann- Oberschule) angegliedert wurde.

Im Schuljahr 1993/94 konnten die ersten Schüler des 2. OG „Gerhart – Hauptmann – Oberschule“ (Gymnasium) am 5.7.1994 ihre Abiturzeugnisse in Empfang nehmen. Der Gesamtdurchschnitt des Jahrgangs lag bei 2,63. Die drei Besten dieses ersten Abiturjahrgangs sollen hier erwähnt sein: Stefanie Sandra Schalm (1,4), Kunigunde Beyer (1,6) und Karoline Süßkow (1,7). Im Abschluß des Schuljahres 1996/97 erreichte Beate Lange das bis zum heutigen Tage beste Abiturergebnis in der jungen Geschichte des 2. OG mit einem Durchschnitt von 1,2 und einer Gesamtpunktzahl von 735.

Um nach Jahren des Fast-Vergessens wieder als Abiturient einer Schule mit dem Namen „Gerhart Hauptmann“ das Reifezeugnis entgegen nehmen zu können, bedurfte es einigen Schriftverkehrs des damals noch kommissarisch eingesetzten Schulleiters Herrn Neuse mit den zuständigen Behörden. Hier ein Auszug aus dem Antrag der Schulkonferenz zur Übertragung des Schulnamens „Gerhart Hauptmann“ an das Bezirksamt Köpenick von Berlin:

„Die Ortsgeschichte Friedrichshagens ist seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts eng mit dem Streben der Bürger nach einer höheren Schulbildung für ihre Kinder am Orte verbunden. Der Bürgerverein erreichte zunächst 1900 die Gründung eines Progymnasiums, das 1905 als Vollgymnasium für Knaben in der Schulstraße 1 seinen Lehrbetrieb aufnahm. Die private höhere Töchterschule wurde dann 1924/26 durch den öffentlichen Schulneubau in der Bruno – Wille – Straße abgelöst. Damit erhielt Ostern 1926 die König – Friedrich – Schule in der Schulstraße das Richard – Wagner – Lyceum als Pendant. Die Möglichkeit der Schulbildung bis zum Abitur blieb dem Ortsteil Friedrichshagen auch nach dem Kriege erhalten. Mit dem Beginn der fünfziger Jahre wurde in der Bruno – Wille – Straße die “ Gerhart – Hauptmann Schule“ eingerichtet. Auf Grund eines nicht nachvollziehbaren Entscheids vormaliger Parteiinstanzen wurde die Abiturausbildung eingeschränkt und diese Schule [1982 – d.A.] in eine POS [Polytechnische Oberschule – d.A.J anderen Namens umgewandelt. Mit dem Wiedereinrichten der Abiturausbildung in unserem Hause ist der Wunsch auch vieler ehemaliger Schüler, Eltern jetziger Schüler, und vieler Friedrichshagener Bürger verbunden, diesem Hause den Namen “ Gerhart Hauptmann“ wieder zu übertragen. Der Bezug zum Namen ergibt sich aus den Beziehungen Hauptmanns zu den Mitgliedern des Friedrichshagener Dichterkreises in der Erkneraner Zeit, verbunden mit den frühen Ansätzen der Volksbühnenbewegung.“

Obwohl der Antrag zur Übertragung des o.g. Namens bereits im Oktober 1991 vorlag, wurde erst im März 1992 positiv darüber entschieden; und so fand am 20.5.1992 eine Feierstunde anläßlich der Namensgebung statt. Dank des Engagements der Englisch- und Französischlehrerinnen fanden seit dem Schuljahr 1992/93 regelmäßige Schüleraustausche mit dem Centenary College of Louisiana in Shreveport (USA) und dem Lyce du Coudon de la Garde bei Toulon (Frankreich) statt.

Viele Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer arbeiteten und arbeiten mit großer Einsatzbereitschaft daran, alte Traditionen im Schulleben neu erstehen zu lassen und den Grundstein für neue Wege zu legen. So findet das jährliche Weihnachtskonzert, das mehr und mehr in die organisatorische Hand der Schülerschaft übergeht, immer überwältigendes Interesse. Viele Schülerinnen und Schüler nutzen diese Gelegenheit, um ihr Können in den unterschiedlichsten Bereichen unter Beweis zu stellen. So finden sich in der Schülerschaft beispielsweise gute Instrumentalisten (z.B. Klavier, Saxophon, Gitarre, Klarinette, Querflöte, Cello), Sänger, Rezitatoren, Tänzer und angehende Schauspieler. Die Palette ist breit gefächert. Inzwischen wollen so viele Schülerinnen und Schüler bei diesem Konzert mitwirken, dass es leider nicht möglich ist, alle Aktiven unterzubringen. Auch um dem Besucheransturm einigermaßen gewachsen zu sein, wird die Veranstaltung sicherlich auch weiterhin aus der Aula der Schule in der Bruno – Wille – Straße (ca. 300 Plätze) in die Christophorus – Kirche in der Bölschestraße (ca. 800 Plätze) verlagert.

Einige andere wichtige und hervorhebenswerte Aktivitäten sollen hier genannt sein: sehr erfolgreiche Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an sportlichen Wettkämpfen wie z. B. Basketball, Workshops mit einer dänischen Schülerbigband aus Aabenraa und anschließendem gemeinsamen Konzert, Gründung eines Schulchores, Vernissagen mit Bildern und Plastiken von Schülerinnen und Schülern, Konzerte und andere Veranstaltungen mit ausländischen Künstlern z.B. aus Ruanda und Moskau, jährliche stattfindende Projekttage zu interessanten Themen und Sportfeste, Abschlußbälle und Abistreiche der glücklichen Abiturienten, Konzerte von Schülerbands, Fotozirkel, Schülerzeitung(en), Erarbeitung einer Schulchronik, Gründung eines Jazzchores, Erstellung einer Schulhomepage im Internet. Zur Erweiterung des Allgemeinwissens, zur Veranschaulichung theoretisch erarbeiteten Lernstoffes und nicht zuletzt zum besseren Kennenlernen aller Beteiligten dienen die regelmäßig durchgeführten Wandertage, die Klassenfahrten und Exkursionen, die von Lehrern und Schülern gemeinsam mit Sorgfalt vorbereitet werden. So sind beispielsweise schon einige Male Lehrerinnen mit Kursen der Fächer Bildende Kunst und Latein in Rom gewesen.

Einige Bemerkungen zum baulichen Zustand unseres Schulgebäudes in der Bruno – Wille – Straße sollen unserer kleine Chronik der hundertjährigen Geschichte der Höheren Lehranstalten in Friedrichshagen abschließen. Jahrelange Renovierungsarbeiten (z.B. der Klassenräume durch Schüler und Eltern mit den Klassenleitern) und Rekonstruktionsmaßnahmen (z.B. der Fachräume für Biologie, Chemie und Physik und der Sanitärtrakte) haben zwar immer dazu geführt, dass sich letztendlich die Arbeitsbedingungen für Schüler und Lehrer verbessert haben, jedoch waren die vom Schulträger organisierten Arbeiten nicht systematisch geplant und durchgeführt. Der Fachbereich Musik zog sogar zweimal aus dem großen Musiksaal aus. Dieser Umstand ist vor allem der desolaten Finanzlage des Berliner Senats zuzuschreiben. So musste beispielsweise bei der kürzlichen Dachsanierung aus Kostengründen auf die Wiederherstellung der Schuluhr verzichtet werden. Wir hoffen, dass auch nach unserem Jubiläum weiterhin Gelder für die Wiederherstellung des Gebäudes in seiner historischen Schönheit vom Berliner Senat bereitgestellt werden.

Ab dem Schuljahr 2000/01 werden wieder alle Schülerinnen und Schüler der „Gerhart – Hauptmann – Schule“ im Gebäude der Bruno – Wille – Straße unterrichtet.

Anke Jahn